Freiheitseinschränkende Maßnahme

Aus Buergerwiki Bodensee
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Sind freiheitseinschränkende Maßnahme (FEM) in der pflegerischen Versorgung von an [[Demenz[[ erkrankten Personen unvermeidbar? Sind Freiheitseinschränkende Maßnahmen mit Freiheitsberaubung oder gar Gewalt gleichzusetzen?

Fixierungen, Freiheitsberaubung in Altenheimen?? Es geht auch anders …

2010 haben Gerichte in 100 000 Fällen neu entschieden, dass alte Menschen, die in Heimen leben, am Stuhl oder Bett angebunden, "fixiert" werden dürfen. 1997 gab es 31.000 solcher Genehmigungen. Studien in der Pflegeforschung gehen davon aus, dass Pflegekräfte ein Drittel bis die Hälfte ihrer Heimbewohner mit technischen Hilfsmitteln „fixieren“, wie der Fachausdruck heißt.

Nach Schätzungen erhalten sogar bis zu zwei Dritteln Psychopharmaka, um „ruhiggestellt“ zu werden.

Es gibt vor allem zwei Gründe, warum Pflegende HeimbewohnerInnen anbinden oder ihre Betten mit Gittern verriegeln:

  • Zum einen fürchtet das Personal, dass demente Senioren erneut stürzen und sich dabei verletzen könnten.


  • Oder dass sie beim Versuch nach Hause zu gehen ( = wegzulaufen - Weglaufgefährdung) im Straßenverkehr Schaden erleiden oder sich verirren und verletzen.


Oft steht das Pflegepersonal aus Kostengründen (zu wenig Pflegende werden eingestellt) so stark unter Zeitdruck, dass eine Rund-um-die-Uhr-Beobachtung jedes Bewohners unmöglich ist. Dann bleibt scheinbar nur der Ausweg, die Schutzbefohlenen anzubinden, um sie keinen Gefahren auszusetzen. Dabei nehmen alle an der Entscheidung Beteiligten in Kauf, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die Würde und die Freiheit eines Menschen handelt. Also die Angehörigen, die Richter und Betreuer, die Pflegenden und die Heimleitungen.

Was hinzu kommt und wenig zur Sprache gebracht wird: Die Fixierungen können ihrerseits zu schweren Verletzungen, ja sogar zum Tode führen, wenn die gefesselte Person sich dagegen -auch unbewusst- wehrt und sich beim Bewegen stranguliert. Ganz zu schweigen von den psychischen Folgen für Demenzkranke, die nicht verstehen oder vergessen haben, warum sie angebunden sind oder im Gitterbett liegen müssen.

Und auch die Pflegefachkräfte selbst leiden unter den Fixierungen der Bewohner, wollen sie doch ihren Schutzbefohlenen einen angenehmen und belastungsfreien Lebensabend gestalten.

Werdenfelser Weg

Eine gangbare Alternative ist der „Werdenfelser Weg“, den zum Beispiel das Netzwerk Betreuungsverein Haßberge e. V. in Unterfranken eingeschlagen hat. Vorsitzender Bernd Hermann erklärte, wie das Pflegepersonal den juristischen Fallstricken entgehen kann, wenn es auf die Fixierung verzichten will.

Die gängige Praxis: Bevor ein Heimbewohner angebunden werden darf, muss er dem zustimmen oder, falls das nicht mehr möglich ist, ein Betreuer für ihn. Zudem muss der Hausarzt ein Gutachten vorlegen und schließlich ein Richter auf Antrag entscheiden, ob eine „freiheitseinschränkende Maßnahme“ auf Zeit erlaubt ist. Sind sich die am Verfahren Beteiligten einig, wird kaum ein Richter der beantragten Fixierung widersprechen. Der „Werdenfelser Weg“ dreht den Spieß um, indem Angehörige, Pflegekräfte, Arzt und Richter sich darauf einigen, auf die Fixierung zu verzichten, sofern es Alternativen im Heim gibt. Das setzt laut Hermann voraus, dass sich zuerst die Pflegekultur wandelt. Ziel muss sein, möglichst oft auf Fixierungen zu verzichten und Alternativen zu verwenden. So gibt es technische Hilfsmittel wie große, mit Styropor gefüllte Säcke vor den Betten, die einen Fall auffangen, oder Klingelmatten, die bei Berührung einen elektronischen Hilferuf auslösen. Auch Kleidung mit eingenähten Protektoren kann den alten Menschen Bewegungsfreiheit zurückgeben und sie dennoch schützen.

Damit das Personal solche Alternativen anwenden darf, sollten Angehörige und Hausarzt Bescheid wissen und zustimmen. Statt eines Richters macht sich beim „Werdenfelser Weg“ ein neutraler Verfahrenspfleger, der vom Gericht beauftragt ist, vor Ort ein Bild vom Heimbewohner und den Alternativen zur Fixierung.

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